Für Gründer und Investoren gleichermaßen ist es der perfekte Exit: ein gelungener Börsengang. Es ist der Moment, auf den alle Beteiligten lange hinarbeiten. Wenn die Anteile des Startups dann erstmals öffentlich gehandelt werden, ist das für Gründer und Risikokapitalgeber der ersten Stunde oft der lang ersehnte Zahltag.
Ein Börsengang (Englisch: Initial Public Offering, kurz: IPO) braucht viel Vorbereitung: Hohe bürokratische Hürden sorgen für viel Papierkram. Hunderte Emails mit Banken und Rechtsanwälten zur Abstimmung des Börsengangs sind keine Seltenheit. Und schließlich muss auch das Timing gut gewählt werden. Wenn der Markt gerade eine Krise durchläuft, trübt das die Kauflust der Investoren.
Doch wenn der Sprung an die Börse glückt, kann das Unternehmen das nötige Kapital für eine Ausweitung des Geschäftsbetriebs einsammeln. Dafür muss es seine Investoren anschließend noch genauer als zuvor über die Geschäftsentwicklung informieren. Welche Startups aus Deutschland haben schon einen Börsengang hingelegt? Wir stellen Ihnen zehn Startups vor, die den Sprung an die Börse geschafft haben.
Trivago ist eine Such- und Vergleichsplattform für Hotels. Die Suchmaschine erfasst und vergleicht Preise von mehr als einer Million Hotels weltweit. Das Unternehmen wurde 2005 gegründet und vollzog seinen Börsengang im Dezember 2016. Schon vier Jahre zuvor wurde Trivago mehrheitlich von der US-Reisesuchmaschine Expedia übernommen, weshalb es dann auch nicht an der Frankfurter Börse, sondern an der US-Technologiebörse Nasdaq in New York gelistet wurde. Beim Börsendebut wurde die Trivago-Atkien für 11 Dollar gehandelt und das Unternehmen konnte so 287 Millionen Dollar einnehmen. Nach Abzug von Provisionen und Honoraren für die Banken, die den Börsengang durchgeführt haben, blieben immerhin noch 212 Millionen Dollar Reinerlös übrig. Auch heute noch schlägt sich Trivago mehr als beachtlich an der US-Technologiebörse. Die Aktie liegt derzeit bei 14,40 Dollar und damit gut 3 Dollar über dem ursprünglichen Ausgabepreis.
Hellofresh ist ein Lebensmittel-Lieferdienst, der seinen Kunden Kochboxen nach Hause liefert, in denen die Kunden alle Zutaten finden, um selbst ein Menü zu kochen. Das Startup aus dem Hause Rocket Internet – Rocket ist mit 47,6 Prozent an Hellofresh beteiligt – wagte am 2. November 2017 den Sprung an die Frankfurter Börse, nachdem der erste Börsengang im Jahr 2015 abgesagt wurde. Die Preisspanne der Hellofresh-Aktien wurde zuvor von 9,00 bis 11,50 Euro angegeben und die Aktien konnten schließlich zu 10,25 Euro platziert werden. Damit liegt die Bewertung des Startups bei rund 1,7 Milliarden Euro – etwa 900 Millionen Euro weniger als zu Hochzeiten. Hellofresh bleibt weiterhin defizitär: Im ersten Halbjahr 2017 notierte es noch Verluste von knapp 47 Millionen Euro, der Umsatz lag bei 435 Millionen Euro. Der Börsengang spülte immerhin 318 Millionen Euro in die Firmenkassen. Das Geld will Hellofresh für die Expansion nutzen.
The Naga Group ist ein FinTech-Startup, das eine Plattform für den Forex- und CFD-Handel betreibt. Zu dem Hamburger Startup gehört auch die Social-Trading-App SwipeStox. In diesem Jahr will das Startup zudem über ein Joint Venture mit der Deutschen Börse die weltweit erste Plattform für virtuelle Gegenstände, so genannte Ingame-Items, starten. Das erst 2015 ins Leben gerufene Unternehmen wagte schon zwei Jahre nach seiner Gründung den Sprung aufs Frankfurter Börsenparkett. Im Juli 2017 wurde The Naga Group im Scale Segment an der Deutsche Börse gelistet, ein Marktsegment für junge Wachstumsunternehmen, das erst Anfang des Jahres ins Leben gerufen wurde. Das Hamburger Startup gab eine Million Aktien zum Handel frei und setzte den Ausgabepreis bei 2,60 Euro an. Innerhalb von drei Tagen schoss der Kurs auf 16 Euro. Das erinnerte einige Kommentatoren von manager magazin bis Der Aktionär stark an die übertriebenen Bewertungen der „New Economy“, denn das Startup war zu diesem Zeitpunkt noch hochdefizitär. Heute hat sich der Kurs der Aktie bei 4,70 Euro eingependelt.
Der Online-Versandhändler Zalando ließ bei seinem Debut auf dem Frankfurter Parkett am 1. Oktober 2014 große Geschütze auffahren. „Zalando ging mit Models, Konfetti, Lametta und viel Tamtam an die Börse“, kommentierte das manager magazin das Debut des Berliner Startups am Prime Standard der Deutschen Börse. Der damalige Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni habe persönlich die Erstnotiz Zalandos – also den ersten offiziellen Aktienpreis – begleitet. Der lag mit 24,10 Euro rund zwölf Prozent über dem Emissionspreis von 21,50 Euro. Die Bewertung des Online-Versandhändlers für Schuhe und Mode lag damit bei knapp sechs Milliarden Euro – und damit über der Bewertung der Fluggesellschaft Lufthansa oder des Düngemittelherstellers K+S. Das Berliner Unternehmen platzierte insgesamt rund 11 Prozent seiner Anteile (28 Millionen Aktien) am Markt und nahm dadurch 605 Millionen Euro frisches Kapital ein. Damit landete Zalando unter den Top-10-Börsengängen der deutschen Geschichte. Auch mittelfristig ist der Börsengang von Zalando eine echte Erfolgsgeschichte. Die Aktie stieg kontinuierlich im Wert und notiert heute bei knapp 40 Euro.
Rocket Internet, die Startup-Schmiede aus Berlin, hat sich einen Namen gemacht, in dem es erfolgreiche Geschäftsmodelle aus den USA kopiert und in Deutschland umgesetzt hat. Das Unternehmen zieht die entsprechenden Startups entweder selbst groß und gründet sie dann aus, oder aber es kauft sich in Startups ein und begleitet sie dann mit Mentoring und Netzwerk bis zum Exit. So hält Rocket Internet etwa Beteiligungen am Online-Möbelhändler Westwing, am Food-Startup HelloFresh und am Versandhändler Zalando, an dessen Gründung Rocket maßgeblich mitgewirkt hat. Am 2. Oktober 2014, nur einen Tag nach dem Zalando-Börsengang, ging Rocket Internet an die Börse, um weiteres Kapital einzuwerben. Das Unternehmen wurde im Entry Standard der Frankfurter Börse gelistet. Mit einem Emissionsvolumen von bis zu 1,6 Milliarden Euro war es einer der größten Börsengänge eines Internetunternehmens in Europa seit der „New Economy“ im Jahr 2000. Der Ausgabepreis war mit 42,50 je Aktie sehr optimistisch gewählt, was sich umgehend rächte. Der Kurs fiel innerhalb weniger Minuten auf 37 Euro und konnte sich bis zum Ende des Handelstages nicht mehr erholen. Bis Ende November kletterte er zwar nochmal auf ein Allzeithoch von 56,60 Euro, doch seitdem geht es kontinuierlich bergab, auch weil sich viele Startup-Beteiligungen nicht wie erwartet entwickelt haben. Heute notiert die Rocket-Aktie bei rund 19 Euro.
Shop Apotheke ist ein Online-Versandhandel für Arzneimittel. Der Fokus des deutsch-niederländischen Unternehmens liegt auf dem Versand von rezeptfreien Arzneimitteln sowie apothekenüblichen Beauty- und Pflegeprodukten. Das Unternehmen mit Sitz in Venlo wagte am 13. Oktober 2016 den Sprung an die Deutsche Börse in Frankfurt und ließ sich dort im Prime Standard listen. Shop Apotheke platzierte 4,07 Millionen Aktien zu einem Emissionspreis von 28 Euro je Aktie. Die Bewertung des Startups belief sich demnach auf 254 Millionen Euro. Das Unternehmen konnte mit der Emission 100 Millionen Euro einnehmen, während die Altinvestoren bis zu 15 Millionen Euro erhielten. Das Kapital will Shop Apotheke dazu nutzen, neue Märkte in Südeuropa zu erschließen und so die Marktführerschaft in Europa zu erreichen. Im Jahr 2015 erzielte Shop Apotheke bereits Einnahmen in Höhe von knapp 126 Millionen Euro. Das Startup wächst weiter rasant und konnte in diesem Jahr die Profitabilität erreichen. Die Aktionäre honorieren die, der Kurs liegt aktuell bei knapp 44 Euro.
Windeln.de ist ein Hersteller von Windeln und Babyartikeln. Das Startup aus München wurde 2015 am Prime Standard der Frankfurter Börse gelistet. Das Unternehmen platzierte knapp 11,4 Millionen Aktien. Der Börsengang spülte zwar insgesamt 211 Millionen Euro in die Firmenkasse, wovon etwa die Hälfte in die Europa-Expansion floss und der Rest den Gründern und Erstinvestoren zu Gute kam. Dennoch galt der Börsenstart von Windeln.de als Fehlschlag. Der Kurs lag bereits nach einem Tag nur noch bei 14,95 Euro und damit deutlich unter dem Emissionspreis von 18,50 Euro. In den folgenden Jahren hat die Aktie einen beispiellosen Einbruch erlebt und notiert aktuell nur noch bei 3,19 Euro. Mit Einsparungen bei Marketing und Personal will das Münchner Unternehmen das Ruder nochmal herumreißen und endlich schwarze Zahlen schreiben.
Das Berliner Startup Scout 24 betreibt Marktplätze zu unterschiedlichen Themengebieten wie Immobilien, Finanzen, Autos und Arbeitsplätze. Zu den bekanntesten Portalen der Scout24-Gruppe gehören ImmobilienScout24, FincanceScout24, AutoScout24 und JobScout24. Bereits 2004 hatte Scout 24 einen der größten Startup-Exits hingelegt, als die Deutsche Telekom alle Anteile des Unternehmens für 180 Millionen Euro übernahm. Diese verkaufte im Jahr 2013 rund 70 Prozent der Anteile an die US-Investoren Hellman & Friedman und Blackstone weiter. Rund zwei Jahre später, am 1. Oktober 2015, vollzog die Scout24-Gruppe dann den Sprung aufs Börsenparkett. Das Berliner Unternehmen wurde im Prime Standard der Deutsche Börse gelistet. Der Ausgabepreis der Aktien lag bei 30 Euro. Insgesamt wurden 38,64 Millionen Aktien platziert, von denen aber nur 7,6 Millionen aus einer Kapitalerhöhung stammten. Das Unternehmen konnte damit einen Gesamterlös von 1,15 Milliarden Euro erzielen, von denen aber nur 228 Millionen Euro dem Unternehmen für Wachstum und Schuldenabbau zur Verfügung standen. Der Rest floss an die Altinvestoren aus den USA und an die Deutsche Telekom. Heute liegt der Kurs mit 33,90 Euro je Aktie noch immer stabil über dem Ausgabepreis.
Erst im zweiten Anlauf klappte der Börsengang für die German Startups Group (GSG). Die GSG ist Venture-Capital-Fonds mit Fokus auf Startup-Finanzierung und den Handel von Startup-Beteiligungen. Im Juli 2015 scheiterte der erste Versuch aufgrund mangelnden Interesses und schlechten Marktumfeldes. Der zweite Anlauf im November 2015 glückte dann und die GSG-Aktien wurden im Entry Standard der Frankfurter Börse gelistet. Der Ausgabepreis lag bei 2,50 je Aktie. Bis zum Ende des ersten Handelstags stieg der Kurs dann auf 2,80 Euro. Leider konnte die GSG den Trend nicht halten – im Gegenteil. Heute notieren die Anteile auch aufgrund zahlreicher Gewinnwarnungen nur noch bei 1,80 je Aktie.
Der Essenslieferdienst Delivery Hero, zu dem unter anderem Pizza.de, Lieferheld und Foodora gehören, wurde am 30. Juni 2017 im Prime Standard der Deutsche Börse gelistet. Das 2011 gegründete Food-Startup verlangte seinen Gründern und Investoren beim Börsengang einiges an Nervenstärke ab. Der Ausgabepreis lag bei 25,50 Euro je Aktie und der Kurs schwankte an den ersten Handelstagen stark um diesen Wert. Seitdem konnte der Kurs aber bisher die meiste Zeit über dem Emissionspreis bleiben und liegt aktuell bei rund 30 Euro je Aktie. Mit einem Volumen von 996 Millionen Euro legte Delivery Hero den größten Börsengang des Jahres hin. Das erst sechs Jahre junge Unternehmen wurde dabei mit 4,4 Milliarden Euro bewertet – trotz tiefroter Zahlen. Das Unternehmen schrieb im vergangenen Jahr rund 200 Millionen Euro Verlust und ist damit weit von der Profitabilität entfernt. Besonders Rocket Internet dürfte der gelungene Börsenstart gefallen haben, denn die Berliner Startup-Schmieder hält rund ein Viertel der Anteile an dem Essenslieferdienst.
Der Weg an die Börse ist für Startups ein bedeutender Meilenstein, der mit intensiver Vorbereitung und Risiken verbunden ist. Die hier vorgestellten deutschen Unternehmen haben diesen Schritt gewagt und dabei unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Von erfolgreichen Börsendebüts wie bei Zalando bis hin zu Herausforderungen wie bei Windeln.de zeigt sich die Vielfalt der Erfahrungen auf dem Weg zum Börsengang. Dennoch bleibt der Börsengang für viele Startups ein attraktives Ziel, um Kapital für Wachstum und Expansion zu beschaffen.
Stand vom 30.08.2017 17:59