Es gibt viele Meinungen zur Künstlichen Intelligenz. Aber keiner wird so oft nach seiner Meinung zu dieser bahnbrechenden Technologie gefragt, wie Chris Boos. Er gilt als Experte und Pionier von KI in Deutschland. Und deswegen, wenn Chris Boos spricht, hören wir aufmerksam zu.
Roland Panter: Lieber Herr Boos, als Experte können Sie uns doch bestimmt etwas über das Besondere über Künstliche Intelligenz (KI) verraten?
Chris Boos: Zuerst muss ich sagen, dass KI ein schlechter Begriff ist und er ja auch angemessen missbraucht wird. Aber was solls, wir brauchen Buzzwords, sonst würde ja die ganze Schlagwortsuche nicht funktionieren.
Für mich ist das Besondere an KI, dass es zum ersten Mal seit der Industrialisierung wieder die Chance für uns Menschen gibt zum Humanismus zurückzukehren. Also ein Weltbild in dem der Mensch unser Verhältnis untereinander und unser Wissen – vielleicht sogar Weisheit – im Mittelpunkt steht, statt nur das notwendige Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen. Die Einführung von KI in allen Industrien macht Schluss mit dem Effizienzrennen und dem Spezialisierungsdruck für Menschen.
Roland Panter: Die Berichterstattung zu KI ist häufig negativ konnotiert, zum Beispiel durch den Wegfall ganzer Berufsgruppen. Wie kommt diese Diskrepanz zustande?
Chris Boos: Das liegt vor allem an der Science-Fiction-Literatur und den dazugehörigen Filmen, die ich übrigens selbst sehr liebe. Aber um die Fiktion eben interessant zu machen, brauchen wir das Gute und das Böse und Maschinen müssen Persönlichkeiten annehmen und sie eigenen sich nun einmal besser für die böse Rolle. Mit dem, was wir unter KI verstehen und den was unser Wirtschaftssystem ändert, hat das nicht das Geringste zu tun.
Roland Panter: Sie sagen zugleich: „Wir haben schon immer unsere Arbeit abgeschafft“. Sie sehen also nicht diese Probleme mit dem Wegfall vieler Jobs.
Chris Boos: Nein, das ist wirklich nicht die Frage. Wenn Sie den Eindruck haben, dass wir bereits alles tun, was auf dieser Welt erledigt werden müsste, dann wäre diese Frage vielleicht gerechtfertigt. Wir schaffen es doch gerade so unser Hamsterrad am Laufen zu halten und zu mehr haben wir keine Zeit. Es gibt so viel zu tun, wenn wir mehr Zeit haben, werden wir uns darum kümmern und da wir auch daraus einen Mehrwert erschaffen werden, denn sonst würden wir ja nichts anfassen, wird es auch Bezahlung dafür geben.
Die kritische Frage ist die der Transition. Kann eine Gesellschaft, der es so gut geht wie unserer sich überhaupt neu erfinden oder sind nicht diejenigen im Vorteil, denen es heute weniger gut geht und die in Veränderung keine Bedrohung, sondern eine Chance sehen? Ich denke es gibt gute Gründe dafür, dass uns die Transition glücken kann – unter anderem, dass wir heute ja bereits zwei Wirtschaftssysteme haben und dass dabei die Plattformökonomie die Bestandswirtschaft gewaltig unter Druck setzt. Ich glaube die Transition wird uns gelingen, weil es eben keine Option ist das Geld, das durch Effizienzgewinne entsteht vom Tisch zu nehmen, sondern es wird sofort reinvestiert werden müssen und darum bleibt auch genug Arbeit für uns vorhanden.
Roland Panter: In den Medien werden Sie oft als KI-Pionier bezeichnet. Betrachten Sie sich selbst als einen Pionier und was zeichnet einen Pionier für aus Ihrer Sicht aus?
Chris Boos: Ich rede nicht so gerne über mich, aber der Titel ehrt mich. Für mich sind Pioniere Menschen, die bereit sind für ein Ziel auch ein Risiko einzugehen und die sich trauen vorauszugehen. Ich kenne viele Menschen, die viel besser im Vorausgehen und Vorausdenken sind als ich und ich bewundere diese Pioniere.
Roland Panter: Sie wurden in den Digitalrat der Bundesregierung berufen. Wie wichtig ist es Ihrer Meinung, dass Politik mit Unternehmen im beim Thema KI zusammenarbeitet?
Chris Boos: Das ist nun keine Frage für den Digitalrat. Die drei Elemente, die unsere Gesellschaft ausmachen sind die Gemeinschaft der Menschen, die Politik und die Wirtschaft. Sie haben ab und an ein natürliches Spannungsfeld, aber sie arbeiten immer zusammen, weil keine Komponente ohne die andere kann. Genauso wenig wie sich Egoismus auszahlt; eine Gemeinschaft ist langfristig immer erfolgreicher. Sehen Sie sich mal mein Twitterprofil und den dort angepinnten Tweet an.
Aber zum Digitalrat. Ich finde es erstklassig, dass ein derart hohes Interesse in der Politik über alle Parteigrenzen hinweg besteht sich zu informieren und nicht einfach nur blind Trend zu folgen und dass dieses Interesse soweit geht ein Gremium zu schaffen, das in der Lage ist nicht nur zu informieren und eine andere Perspektive zu geben, sondern auch schonungslos den Spiegel vorhält. Ich war am Anfang skeptisch, ob das wirklich ernst gemeint war; habe aber inzwischen die Erfahrung gemacht, dass es genauso gemeint war und genau darum freue ich mich Zeit in das Thema Digitalrat investieren zu können – und was gibt es wertvolleres als Zeit?
Roland Panter: Wie passt das zu Ihren eigenen Zielen mit Ihrem Unternehmen Arago?
Chris Boos: Das sind getrennte Dinge auch wenn es für Arago natürlich gut ist, wenn Europa und Deutschland in der globalen Konkurrenzsituation um KI und Digitalisierung gut dastehen. So gesehen bin ich ein Überzeugungstäter. Ich denke wir brauchen eine Welt, in der es nicht nur zwei Machtpole gibt, denn ein Tisch mit drei Beinen steht viel besser als einer mit nur zweien. Darum glaube ich es ist in unserem persönlichen und wirtschaftlichen Interesse, dass Europa aus dem Quark kommt und seine Position wahrnimmt. Ich bin gerne in Europa, weil es einzigartig ist und von Diversität getrieben ist. Das ist auch für unsere unternehmerischen Ziele gut, aber ich hoffe, dass das für alle Unternehmer in Europa gilt.
Roland Panter: Was uns als Investment-Plattform natürlich besonders interessiert, Sie sind auch Investor! Was macht die Startups und Unternehmen aus, in die Sie investieren?
Chris Boos: Als Nerd reizen mich natürlich die sogenannten Deep-Techs, aber noch viel wichtiger sind mir die Unternehmer und die Teams, denn nur wer viel Überzeugung, Leidenschaft und dazu noch einen Plan mitbringt, kann wirklich erfolgreich sein. Das Problem, das ich oft habe ist, dass ich Dinge auch verstehen will und das bedeutet, dass ich mich nahe an meinem eigenen Feld bewege, denn die Zeit zum Beispiel Computerspiele wirklich zu verstehen fehlt mir leider….
Zur Person:
Chris Boos (Jahrgang 1972) ist Gründer und CEO von Arago, ein Unternehmen, welches sich auf KI spezialisiert hat. Die Arago GmbH hat ihren Sitz in Frankfurt am Main und wurde 1995 gegründet. Er ist Mitglied im Digitalrat der Bundesregierung.