von Jana Biesterfeldt

Smart City - Startups gestalten die Stadt von morgen

9 Minuten Lesezeit
Smart City - Startups gestalten die Stadt von morgen

Unsere Städte wachsen bis an die Grenze des Möglichen. Unsere aktuellen Probleme und Herausforderungen wachsen mit: Bevölkerungsanstieg, Umweltverschmutzung, Ressourcenverknappung, Engpässe in der Infrastruktur. Diese Herausforderungen führen langsam zur Verringerung der Lebensqualität in der Stadt.

Daher brauchen wir effizientere Wege, um die Lebensqualität der Stadtbewohner zu erhöhen. Gefragt sind Konzepte, um vorhandene Ressourcen effektiver zu verteilen und die Erschließung neuer Wege , um diese Ressourcen in der Stadt zu produzieren. Smart City ist das Stichwort. Smarte Ansätze wie Mikro- und E-Mobilität, Smart Grid oder Urban Farming weisen den Weg in eine moderne, intelligente und vernetzte Stadt der Zukunft.

Smart City – Was steckt hinter dem Begriff?

Es gibt keine konkrete Definition der einen Smart City. Der Begriff wird oft mit der „vernetzten Stadt“ gleichgesetzt, aber er geht weit darüber hinaus. Er berührt gesellschaftliche sowie politische und wirtschaftliche Bereiche und will diese zu einem Ganzen verknüpfen. Dahinter steht ein Plädoyer für mehr Lebensqualität, Ressourceneffizienz und ein Ausbau der Digitalisierung, aber auch mehr wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit.

Der Sozialwissenschaftler Alex Willener betonte in einem Beitrag für das Zukunftsinstitut den Aspekt der Technik: „Ein Blick auf die konzeptionellen Grundlagen der Smart City zeigt: ‚Smart‘ wird mit technologiegetrieben gleichgesetzt. Es geht um neue digitale Errungenschaften, die Lösungen für städtische Herausforderungen liefern und das Leben einfacher machen sollen.“ Besonders betont er diese Ziele für den Energiesektor und die Etablierung der Elektromobilität. In der Smart City entstehen integrierte Energieplanungen für öffentliche, private und gewerbliche Bereiche, bei denen zusätzlich die Bereiche Infrastruktur und Mobilität sowie Energie vernetzt werden.

Mehrere Städte wollen mit dem Zeitgeist gehen und haben Ambitionen sich digitaler, intelligenter und nachhaltiger aufzustellen und so eine effiziente Verteilung der Ressourcen zu gewährleisten. Das Landschaftsarchitektur-Büro bgmr aus Berlin ist darauf spezialisiert, Städte bei der Übergangsphase zur smarten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Stadt zu beraten und zu begleiten. Dort versteht man die „Stadt als Ressource“: Die Städte benötigen Energie, Nahrung, Wasser und Luft. Im Gegenzug erzeugen sie Wärme, Abfall, Lärm und Licht.

Bei bgmr hat man sich daher darauf verlegt, diese Austauschprozesse neu zu betrachten und nach Chancen für urbane Kreislaufökonomien zu suchen. Recycling, Kompostierung und Trinkwasseraufbereitung sind bekannte Beispiele. Die urbane Produktion von Nahrungsmitteln, der Einsatz regenerativer Energien, die Kühlung der Städte durch Regenwasser und die Entwicklung von Zukunftstechnologien für die digitale Stadt sind weitere Schritte zur Smart City.

„Der Weg dahin ist die eigentliche Herausforderung, denn wir werden unsere unperfekten Städte nicht verlassen, um in den Idealstädten von Morgen neu anzufangen. Wir brauchen daher Qualifizierungsstrategien, systemische Lösungen und gute Projekte, die Überzeugungen schaffen, dass Umweltsensibilität, Energie- und Ressourceneffizienz letztlich zu besseren Orten für alle führen“, so der bgmr-Mitbegründer Dr. Carlo W. Becker.

Startups liefern Impulse für moderne Städte

Neben Beratungs- und Planungsunternehmen gibt es auch Startups, die mit ihren unterschiedlichen Ansätzen und innovativen Ideen einen Beitrag zur Smart City leisten. Konzepte der Mikro-Mobilität und E-Mobilität stehen bei der Smart City ganz vorne, denn die Zukunft der Mobilität soll elektrischer und effizienter gestaltet werden. Um die Probleme von Infrastrukturplanung und Umweltverschmutzung zu lösen und intelligente Energielösungen zu finden, liefern Startups wie Rydies und slock.it smarte Ansätze.

Das Münchener Startup Rydies digitalisiert und vernetzt alle Angebote und Anbieter zur Fahrrad-Mobilität sowie Daten des urbanen Nahverkehrs. Der Fahrradverkehr kann so ausgebaut werden, was im Interesse vieler Städte liegt. Besonders für den Markt der E-Fahrräder ist Rydies interessant, denn durch die Daten bekommen Radfahrer einen schnellen Überblick über Ladestationen und Parkmöglichkeiten in ihrer Nähe.

Dahinter steckt das Konzept des Smart-Grid. Intelligente Stromnetze (Smart-Grids) kombinieren die Erzeugung, Speicherung und den Verbrauch von Energie, um eine effiziente Nutzung des Stroms und eine Integration der Erneuerbaren Energien zu erreichen. Laut dem Umweltbundesamt kann das Smart-Grid mit dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien nicht nur Energie, sondern auch Daten transportieren. Netzbetreiber können Informationen zu Energieproduktion und -verbrauch erhalten.

Große und etablierte Unternehmen wie der Energieversorger Innogy investierten daher in Rydies. „Die Zukunft der Mobilität in der Stadt wird elektrisch sein. Damit das funktionieren kann, müssen die Angebote gut vernetzt und für den Anbieter wirtschaftlich sein“, so Kerstin Eichmann, Geschäftsführerin vom innogy Innovation Hub. Mit diesem Netzwerk möchte Innogy gemeinsam mit Startups neue disruptive Geschäftsmodelle und Lösungen entwickeln und finanzieren, die sich am Kunden orientieren.

Innogy investierte neben Rydies auch in slock.it. Das Startup aus Mittweida will durch die Blockchain-Technologie die Nutzung von Schlössern verändern. Intelligente Schlösser, sogenannte Slocks, werden durch Smart Contracts über die Blockchain bezahlt, geöffnet und verschlossen. Über diese Slocks können Gegenstände, Fahrzeuge, Immobilien aber auch Strom- oder Serverkapazitäten vermietet, verkauft oder mit anderen geteilt werden. Ideale Anwendungsbereiche liegen unter anderem in der Sharing-Economy, aber auch im privaten Energiehandel oder im IoT-Bereich als Komponente in sogenannten Smart Homes.

Auch eine nachhaltige Energieversorgung ist eine umfassende Aufgabe in der Smart City. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten verschiedene Ansätze miteinander kombiniert werden. Ein Beispiel ist das Konzept von Mowea. Das CleanTech-Startup entwickelt kleine modulare Windkraftanlagen für Jedermann, die auf den Dächern der Stadt für die privaten und gewerbliche Nutzung Strom erzeugen Diese sollen eine Ergänzung zu Solar-/Photovoltaikanlagen darstellen. Besonders zeichnen sich die Windkraftanlagen durch ihre geringe Umweltbelastung aus.

Zur Lebensmittelversorgung der Städter gibt es richtungsweisende Konzepte, durch die Nahrungsmittel direkt vor Ort erzeugt, verarbeitet und verkauft werden können. Startups wie Infarm, Green City Solutions oder BE Food AG machen es vor. Letztere betreibt die erste kommerzielle StadtFarm und leistet damit bereits einen Beitrag zur Lebensmittelversorgung. Mit der speziellen Technologie eines geschlossenen Wasserkreislaufes erzeugt das Unternehmen in Gewächshäusern nachhaltige und gesunde Lebensmittel und verkauft sie an die Verbraucher direkt vor Ort in Berlin.

Diese Smart-City-Konzepte sind nicht nur technologisch anspruchsvoll, sondern haben auch einen hohen Kapitalbedarf. In ihrem Bericht sieht das Finanzdienstleistungsunternehmen LGT Group für die nächsten Jahre einen Investitionsboom für Smart-City-Projekte. Für ein Erreichen der Smart City müssen sich daher Investoren in Stellung bringen, die bereit sind solche Projekte finanziell zu fördern.

Laut einer Studie von Frost & Sullivan werden die meisten Investitionen in Smart-City-Projekte in den kommenden Jahren in Europa stattfinden. Die Europäische Union sei durch ihre Förderung von ökologischen Initiativen besonders engagiert. Weiterhin sagt die Studie aus, dass Investitionen in Smart Cities bis 2025 ein Volumen von über zwei Billionen Dollar erreichen. Noch optimistischer ist da das Marktforschungsinstitut Persistance Market Research: Investitionen in Smart-City-Projekte sollen demnach bereits im Jahr 2019 eine Billion US-Dollar erreichen und bis 2026 auf rund 3,5 Billionen anwachsen.

Vorzeige-Smart-Cities in aller Welt – und Deutschland?

Was haben Singapur, Barcelona, London, San Francisco und Oslo gemeinsam? Diese Städte können sich schon als Smart Cities bezeichnen. Für ein Ranking untersuchte das englische Marktforschungsunternehmen Juniper Research viele Faktoren, zum Beispiel Smart-Grid- Technologien, intelligente Informationstechnologien zur Verbesserung des Straßenverkehrs, WLAN-Hotspots und den Anteil der Smartphone-Nutzer.

Dabei landete der Stadtstaat Singapur auf Platz Eins. Schon seit 2014 werden dort Ansätze einer Smart City erprobt. Sensoren und Kameras überprüfen Sauberkeit und Verkehr. Mit autonomem Fahren und Smart Mobility wird seit 2016 experimentiert. Digitalisierungsexperten von Siemens arbeiten an einer Cloud-basierten Plattform, um Daten aus Industrie, Energieversorgung und Verkehr zu vereinen. Siemens-Chef Joe Kaeser prophezeit, dass in Singapur 2022 das weltweit erste voll integrierte urbane Ökosystem entstehen wird.

Dies alles ist nur möglich durch Daten. Wichtig dabei: die Einbeziehung der Bürger. Für den zuständigen Minister Dr. Vivian Balakrishnan sind Privatsphäre und Sicherheit wichtige Sorgen. Die Daten seien, wenn möglich, anonymisiert. Weiterhin hat die Stadt eine transparente Open-Data-Plattform eingerichtet. Denn eine Teilhabe der Bürger an ihrer Smart City wird durch die Transparenz der Daten erreicht.

Unternehmen wie Alphabet, der Mutterkonzern von Google, bauen sie von Grund auf neu: die Smart City. Dafür auserkoren wurde Toronto, genauer ein Stadtteil der kanadischen Metropole. Mit seinem Tochterunternehmen Sidewalk Labs plant Alphabet bis 2020 zusammen mit der Stadtverwaltung ein Stadtviertel der Zukunft durch bewohnerorientierte Dienstleistungen, Nachhaltigkeit und Mobilität. Ein Bericht der LGT Group sieht es bereits als ein „Planungsszenario für Investoren“.

Nur wo steht da Deutschland im Smart-City-Vergleich? In der öffentlichen Wahrnehmung entsteht der Eindruck, dass der Breitbandausbau nicht vorankommt und auch in Großstädten kein öffentliches WLAN vorhanden ist. Dass Deutschland international bei der Digitalisierung hinterherhinkt, ist kein Geheimnis. Nun wurde die Digitale Agenda 2014 von der neuen Bundesregierung 2018 wieder neu beschlossen: Der Ausbau der Digitalisierung soll stark vorangetrieben werden.

In Deutschland gibt es noch kein konkretes Smart-City-Muster, stattdessen vereinzelte Projekte in vielen Städten. Doch die Hauptstadt hat den Anspruch eine Smart City zu werden. „Berlin muss in Deutschland die Smart City werden“, so der Regierende Bürgermeister Michael Müller. 2015 hat der Berliner Senat als zukünftiges Leitbild eine Smart-City-Strategie beschlossen. Die Ziele sind definiert: „Ausbau der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Metropolregion Berlin-Brandenburg, die Steigerung der Ressourceneffizienz und Klimaneutralität Berlins bis zum Jahr 2050 sowie die Schaffung eines Pilotmarktes für innovative Anwendungen.“

In Berlin sind bereits wichtige Ideen vorhanden: Über 300 Forschungszentren und Unternehmen arbeiten hier an Smart-City-Ansätzen. Sie nennt sich selbst die Stadt der Elektromobilität, ein Vorreiter für innovative und nachhaltige Mobilität. Berlin gilt als die Schmiede für innovative Mobilitäts- und Verkehrssysteme, schreibt die FAZ. Die Stadt sei, nach eigener Aussage, das größte Praxislabor für Elektromobilität in Deutschland. Außerdem können im Sinne der Transparenz seit 2011 Bürger in Berlins Open-Data-Portal Zugriff auf öffentliche Daten erhalten.

Weitere deutsche Städte mit Ambition als Smart City sind Hamburg, München und Frankfurt am Main. In Frankfurt zum Beispiel möchte man bis 2050 den Energieverbrauch um die Hälfte reduzieren und die Energieversorgung komplett auf Erneuerbare Energien umstellen, wie das Handelsblatt berichtete. Eine Untersuchung von eco, dem Verband der Internetwirtschaft e. V., und der Unternehmensberatung Arthur D. Little aus dem Jahr 2017 kommt zu dem Schluss, dass der Smart-City-Markt einer der am schnellsten wachsenden Märkte sei.

„Damit deutsche Städte in den kommenden Jahren im internationalen Vergleich zu führenden Smart Cities aufsteigen, müssen sie heute enger zusammenarbeiten und einen ganzheitlichen Ansatz finden“, regt Harald A. Summa, Geschäftsführer eco, an. Summa weiter: „Das bedeutet, eine kohärente Strategie zu finden, die eine Vielzahl unterschiedlicher Smart-City-Angebote integriert – von Mobilität über Energiemanagement bis hin zu Sicherheitslösungen. Am besten gelingt das mit einer segmentübergreifenden Smart-City-Plattform als Bindeglied aller Dienstleistungen.“


Lesen Sie diesen und andere spannende Beiträge in der neuen Ausgabe der Deal-Lights Q4/18


 

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