In den neunziger Jahren gab es noch Telefone des finnischen Anbieters Nokia, des deutschen Konzerns Siemens, der schwedischen Marke Ericsson oder des französischen Herstellers Alcatel. Fernseher wurden vom niederländischen Unternehmen Philipps oder von deutschen Traditionsunternehmen wie Grundig und Loewe hergestellt. Doch knapp dreißig Jahre später sieht es um europäische Technologieunternehmen schlecht bestellt aus.
Heute dominieren US-amerikanische und asiatische Firmen den Markt. Europa kann derzeit keinen einzigen nennenswerten Konzern im Bereich Unterhaltungselektronik vorweisen. Zwar gibt es noch eine Reihe mittelständischer Hersteller wie Blaupunkt oder Sennheiser mit erstklassigen Produkten im Weltmarktvergleich. Doch kein europäischer Konzern stellt Computer, Spielekonsolen, Kameras oder Smartphones her, die mit den Produkten der Silicon-Valley-Giganten Google, Apple oder Microsoft oder den Produkten asiatischer Hersteller wie Sony, Samsung, Tencent, Huawei, Lenovo, Panasonic oder Nintendo mithalten können.
Im Hardware-Bereich liegt Europa also weit hinter der internationalen Konkurrenz. Im Software-Bereich sieht es nicht viel besser aus. Bei IT-Infrastruktur (Cloud-Computing, Domainname-Services, Content-Distribution-Services) dominieren US-amerikanische Anbieter wie Amazon Web Services, Microsoft Azure oder Google Cloud Computing. Konkurrenz bekommen sie vor allem aus China, etwa durch Alibaba Cloud und Tencent Cloud. Europäische Unternehmen wie SAP Cloud Platform kämpfen hier auf verlorenem Posten.
Ähnlich sieht es bei der Plattform-Ökonomie aus. Hierunter fallen Anbieter von Betriebssystemen, Webbrowsern, App-Stores und Suchmaschinen. Dieser Sektor wird durch US-amerikanische Unternehmen dominiert wie Google (Android, Chrome, Google Search, Google Play), Microsoft (Windows, Edge, Bing) und Apple (iOS, Safari, iTunes). Hinzu kommen Soziale Medien wie Facebook, Twitter, YouTube, Snapchat und Instagram. Hier sucht man europäische Unternehmen vergebens, die einzige nennenswerte Konkurrenz kommt erneut aus China.
Bei Software-Applikationen konnte Europa zwar einige namenhafte Erfolgsgeschichten produzieren (darunter Spotify, Soundcloud oder Skype), doch diese haben zwei Haken. Zunächst einmal werden sie über die oben genannten, meist US-amerikanischen Plattformen vertrieben. Zum anderen hapert es oftmals an der Skalierung, so dass sie am Ende von großen Tech-Konzernen aus dem Ausland aufgekauft werden (z.B. Skype).
Warum können europäische Marken nicht mehr mithalten? Wir listen Ihnen fünf Gründe für das Verschwinden europäischer Tech-Konzerne auf.
Eine zu strikte Regulierung hemmt die Entwicklung großer Tech-Unternehmen. Die USA und China, wo sich derzeit die größten Tech-Konzerne finden, zeichnen sich durch eine lockere Steuer- und Datenschutz-Gesetzgebung aus. Ganz anders in Europa: Die Abgabenlast für Unternehmen ist – mit ein paar Ausnahmen wie Irland und Luxemburg – vergleichsweise hoch.
Außerdem werden hier Daten- und Verbraucherschutz sehr ernst genommen, was für Kunden vorteilhaft, für Unternehmen jedoch eher Nachteile mit sich bringt, wie sich an diversen Strafzahlungen für Facebook und Google erkennen lässt. Hinzu kommt ein starkes Arbeitsrecht, dass zwar positiv für europäische Arbeitnehmer ist, den Unternehmen jedoch eine flexible Personalpolitik erschwert.
Der europäische Markt ist nicht einheitlich, sondern stark aufgespalten in mehrere Länder mit verschiedenen Sprachen, die sich zum Teil in ihrer Gesetzgebung stark unterscheiden. Im Gegensatz dazu sind die USA und auch China einheitliche, homogene Märkte mit einer einzigen Sprache und einer einheitlichen Regulierung. Das erleichtert den Markteintritt und die Skalierung für Tech-Unternehmen.
Hinzu kommt ein gravierender Mentalitätsunterschied. In den USA und auch China herrscht die Mentalität vor, dass Technologie vor allem positiv ist und zur Lösung vieler Probleme beitragen kann. In Europa herrscht dagegen die Mentalität vor, dass Technologie auch viele negative Aspekte aufweist. Das spiegelt sich in einer strikten Datenschutz-Regulierung wieder, aber auch im Nutzerverhalten. Neue Technologien werden dadurch in den USA und China schneller von Nutzern adaptiert als in Europa.
Die USA haben das Silicon Valley und China hat Shenzhen. Und Europa? Hier fehlt ein starker, zentraler Startup-Hub. Es gibt viele aufstrebende Startup-Zentren wie London, Paris, Stockholm und Berlin. Doch die Startup-Ökosysteme in Europa sind aufgrund der Sprach- und Marktbarrieren dezentral organisiert – im Gegensatz zu China und den USA.
Starke Startup-Ökosysteme setzen Synergie-Effekte frei. Wo viele Tech-Startups sind, siedeln sich vermehrt VCs an, da sie die Nähe zu den Innovationszentren und den Gründern suchen. Das zieht wiederum mehr Gründer und talentierte Entwickler an. Diese gegenseitige Verstärkung begünstigt die Entstehung von Tech-Giganten wie Google, Apple und Facebook in den USA oder Alibaba, Baidu und Tencent in China.
Europa ist nicht bekannt dafür, neue Technologietrends zu setzen. Oftmals sind europäische Unternehmen sogar zu langsam, wenn es darum geht, neue Trends aufzunehmen und umzusetzen. Das wohl bekannteste Beispiel dafür ist Nokia. Das finnische Unternehmen galt spätestens Ende der neunziger Jahre als das Maß aller Dinge bei der Herstellung hochwertiger Mobiltelefone. So konnte Nokia 1998 noch 41 Millionen Mobiltelefone weltweit verkaufen.
Doch Nokia reagierte zu spät auf die Umwälzungen des Mobilfunkmarktes, der durch die Einführung des iPhones 2007 einsetzte. Auch der anschließende Aufstieg des Smartphones vom Nischen- zum Massenprodukt wurde vom finnischen Weltmarktführer verpasst. Hinzu kam, dass Nokia zu lange am selbst entwickelten Betriebssystem Symbian festhielt, statt rechtzeitig auf Android umzustellen.
Das führte dazu, dass Nokia immer mehr Marktanteile im Mobilfunksektor an die internationale Konkurrenz verlor. Auch bei aktuellen Technologietrends sieht es nicht besser aus. So gibt es derzeit keine europäische Konkurrenz für US-amerikanische und asiatische Hersteller von Smartwatches, Drohnen oder Virtual-Reality-Brillen. Ebenfalls ins Hintertreffen geraten sind die Europäer beim Thema Künstliche Intelligenz, bei dem Firmen aus den USA und China den Ton angeben.
Europäische Startups haben es schwerer an Kapital zu kommen. Nach wie vor fehlt es hier an Wagniskapital, besonders für Anschlussfinanzierungen in der Wachstumsphase (Series B, Series C, etc.). Wenn es in Deutschland beispielsweise um hohe zweistellige Millionenfinanzierungen für Tech-Startups geht, erreichen hiesige VCs schnell ihre Limits. Das hat zur Folge, dass das nötige Wachstumskapital immer häufiger von großen US-amerikanischen VCs bereitgestellt wird.
Auch bei Börsengängen zeigt sich die Schwierigkeit europäischer Tech-Unternehmen, an Kapital zu kommen. So wurden laut eines Forbes-Artikels im Jahr 2015 insgesamt neun US-amerikanische Tech-Unternehmen bei einem IPO durchschnittlich mit einem Faktor von 3,9 auf den Umsatz bewertet worden, während es bei insgesamt elf europäischen Tech-IPOs nur der Faktor 2,6 war. Das Investorenklima für Tech-Themen ist also vorteilhafter in den USA als in Europa.
Was denken Sie, warum Europa bei Technologie-Trends nicht mehr mithalten kann?