Die Quantenmechanik gibt der Physik viele Rätsel auf, aber sie birgt auch das Potenzial für eine neue Technologie. Quantencomputer sind millionenfach schneller als herkömmliche Computer. Sie könnten dabei helfen, neue Medikamente gegen bisher unheilbare Krankheiten zu entwickeln oder das Risiko eines Anlageportfolios exakt zu berechnen. Ist eine neue Ära der Computertechnik schon angebrochen?
Die Bezeichnung Quanten wird allgemein für Elementarteilchen (nicht mehr weiter teilbare Teilchen) benutzt. Ein Photon ist beispielsweise ein einzelnes Licht-Quant, denn es ist die kleinste uns bekannte Einheit von Licht. Quanten haben die seltsame Eigenschaft, dass sie sich scheinbar entgegen physikalischer Gesetze verhalten, die gemeinhin für Materie gilt. Sie verfügen über Eigenschaften, die man in der Physik sonst bei keinen anderen Teilchen beobachten konnte. Anders ausgedrückt: Ab der Größe eines Quants greifen die uns bekannten Naturgesetze nicht mehr, weil sich Quanten anders verhalten als beispielsweise Atome.
Quanten haben zum Beispiel die interessante Eigenschaft, dass sie zwei Zustände gleichzeitig annehmen können. Das konnte im Doppelspalt-Experiment nachgewiesen werden. Kurz gesagt hat man festgestellt, dass sich Lichtpartikel unterschiedlich verhalten, je nachdem, ob sie „beobachtet“ werden oder nicht. Solange nehmen die Lichtteilchen zwei Zustände gleichzeitig ein, was Wissenschaftler eine „Superposition“ nennen.
Zu Berühmtheit ist diese schwer begreifliche Tatsache durch ein Gedankenexperiment namens „Schrödingers Katze“. Darin verdeutlicht der österreichische Physiker Erwin Schrödinger die Prinzipien der Quantenmechanik, indem er sie auf die makroskopische Welt überträgt. Dem Gedankenexperiment nach könnte man eine Katze mit den Regeln der Quantenmechanik in einen Zustand bringen, in dem sie gleichzeitig „lebendig“ und „tot“ ist, und in diesem Zustand verbleibt, bis die Experimentieranordnung untersucht wird.
Eine weitere spannende Eigenschaft von Quanten ist die sogenannte Verschränkung. Demnach können zwei Teilchen miteinander in Verbindung stehen, auch wenn sie räumlich voneinander getrennt sind. Sie können nach den Gesetzen der Relativitätstheorie nicht miteinander kommunizieren, sodass hierfür eine Übertragungsgeschwindigkeit jenseits der Lichtgeschwindigkeit nötig wäre. Vielmehr scheinen sie noch immer miteinander verbunden zu sein, obwohl wir sie als getrennt wahrnehmen.
Die Phänomene der Quantenmechanik sind selbst für Experten schwierig zu fassen und noch schwieriger zu erklären. Das hält Wissenschaftler aber nicht davon ab, die beobachteten Effekte für die Entwicklung einer neuen Technologie zu nutzen: Quantencomputer. Denn man kann Quanten dafür nutzen, Rechenoperationen auszuführen ähnlich zu denen eines herkömmlichen Computerchips.
Dafür müssen die Quantenbits (QuBits), wie die kleinsten Bauteile eines Quantencomputers genannt werden, allerdings auf eine Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt (Minus 273 Grad Celsius) herunter gekühlt werden, nur dann entfalten sie ihre Fähigkeiten. Das ist auch einer der Hauptgründe, warum wir aller Voraussicht nach nie einen Quantencomputer im Smartphone haben werden, denn die Kühlsysteme brauchen enorm viel Platz und Energie.
QuBits sind herkömmlichen Bits haushoch überlegen, denn sie können nicht nur zwei Zustände annehmen („1“ und „0“), sondern drei Zustände („1“, „0“ und „Superposition aus 1 und 0“). Damit steigt die Zahl der Berechnungen, die ein Quantencomputer durchführen kann, exponentiell an. Während ein konventioneller Computer mit 50 Bits genau 100 Zustände gleichzeitig berechnen kann (2 multipliziert mit der Anzahl der Bits), kann ein Quantencomputer mit 50 QuBits mehr als eine Billiarde Zustände gleichzeitig berechnen (2 hoch Anzahl der QuBits).
Ein simples Beispiel kann das verdeutlichen. Man nehme vier Spielkarten, darunter ein Herz Ass, und lege sie verdeckt auf einen Tisch. Nun soll ein Computer errechnen, wo das Herz Ass liegt. Er wird dafür jede Karte nacheinander umdrehen und braucht so im Schnitt zweieinhalb Versuche, um das Herz Ass zu finden. Ein Quantencomputer würde das Problem immer in einem Versuch lösen, weil er zwei Karten mit einem Versuch umdrehen könnte.
Quantencomputer sollen in etwa 100 Millionen Mal schneller sein als konventionelle Computer. Damit ließen sich womöglich Probleme lösen, für die die Rechenleistung klassischer Computer nicht genügt. Viele Probleme haben die Eigenschaft, dass sie mit zunehmender Größe exponentiell schwieriger werden. Herkömmliche Computer können diese Probleme nicht lösen, also weder in naher noch in ferner Zukunft. Sie würden zur Errechnung der Lösung Millionen von Jahren brauchen.
Eines dieser Probleme ist das sogenannte Briefträgerproblem. Dabei soll ein Briefträger die Post in einer Stadt möglichst effizient austragen, in dem er durch jede Straße nur einmal läuft und dabei auf beiden Straßenseiten die Briefe verteilt. Was nach einem einfachen Problem klingt, wird mit zunehmender Anzahl an Straßen mathematisch sehr anspruchsvoll.
Klassische Computer brauchen für dieses Problem viel Rechenzeit, ein Quantencomputer könnte es vermutlich auch bei großer Straßenanzahl in relativ kurzer Zeit lösen. Eine solche Fragestellung ist im Logistikbereich interessant, da es für Versandhändler ein enormes Kostenersparnis bedeuten würde, immer die effizienteste Route bei der Zustellung ihrer Pakete zu ermitteln.
Ein weiteres Beispiel ist die sogenannte Primfaktorzerlegung (M=p*q). Eine Zahl M besteht aus zwei großen Primzahlen. Wenn ich Ihnen nur M gebe und Ihnen sage: „Finden Sie mir die beiden Hauptfaktoren p und q!“, dann ist das unglaublich kompliziert zu lösen. Ein herkömmlicher Computer kann die Zahl M nur durch jede Primzahl nach der anderen teilen und es würde ihn 28.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 Jahre (28 Quintilliarden Jahre!) Rechenzeit kosten.
Dieses mathematische Rätsel ist so kompliziert, dass wir es als Grundlage aller unserer Verschlüsselungen verwenden. Ein großer (universeller) Quantencomputer könnte das Problem in 100 Sekunden lösen. Kein Wunder also, dass auch Nachrichtendienste (allen voran die NSA) großes Interesse an Quantencomputern zeigen. Sie könnten damit die derzeit gängigen Verschlüsselungen leicht knacken und ihrerseits wichtige Staatsgeheimnisse mit einem Quantencomputer verschlüsseln.
Weitere spannende Anwendungsgebiete sind Chemie, Klimaforschung, Pharmakologie und Finanzen. Im Bereich der Chemie könnten Quantencomputer dabei helfen, komplexe Berechnungen zur Entstehung von Leben zu lösen. Dabei geht es um die Frage, welche Faktoren gegeben sein müssen, damit sich Leben auf einem Planeten bildet.
In der Pharmakologie erhofft man sich durch diese Technologie, unbekannte Wirkstoffe in der Masse der Kombinationsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Molekülen zu entdecken. In der Klimaforschung könnten präzisere Prognosen zur Klimaveränderung getroffen werden. Im Finanzbereich erhoffen sich Experten, komplexe Risikoanalysen bei der Gewichtung eines Anlageportfolios zu lösen.
Die Entwicklung von Quantencomputern ist weiter vorangeschritten als gemeinhin angenommen wird. Es handelt sich also nicht mehr um Science-Fiction, sondern ist bereits zu einem gewissen Grad Realität. Das US-Unternehmen D-Wave-System behauptet sogar, den ersten serienreifen Quantencomputer der Welt zu vertreiben. Zu den ersten Kunden zählte Google, die US-Raumfahrbehörde NASA und – na klar – die NSA.
Die Meinungen gehen darüber auseinander, ob es sich beim Quantencomputer von D-Wave tatsächlich um einen richtigen Quantencomputer handelt oder „nur“ um einen sehr weit fortgeschrittenen Supercomputer. In jedem Fall ist er um ein Vielfaches schneller als alle bisherigen Computer dieser Art.
Große Technologiekonzerne wie Google, Microsoft, Intel und IBM sind bei der Entwicklung vorne mit dabei. Intel hat kürzlich einen 50 QuBit Quantencomputer vorgestellt, der bereits leistungsfähiger ist, als jeder Supercomputer auf der Welt. Auserwählte Firmenkunden, darunter einige Universitäten, können über Cloud-Anwendungen auf den Quantencomputer zugreifen und komplexe Berechnungen durchführen.
Google hat den Konkurrenten jedoch noch einmal übertroffen, wie Science News berichtet. Der Tech-Gigant stellte kürzlich einen Quantencomputer mit 72 QuBits vor und verkündete, dass dieser 100 Million Mal schneller sei als jeder PC. Damit hat Google die Führung im Wettrennen um den leistungsfähigsten Quantencomputer übernommen, doch die Konkurrenz aus den USA und China schläft nicht.
Bisher sind Quantencomputer nur auserwählten Großkunden zugänglich. Für den Endverbraucher ist diese Technologie ohnehin nicht sehr interessant, da sie nur für sehr komplexe Probleme wirklich Sinn ergibt. Die größten Hürden beim Fortschritt sind erst einmal der hohe Energie- und Platzverbrauch für die Kühlung des Systems. Dazu sind die QuBits bisher noch zu instabil. Eine kleine Temperaturabweichung, eine leichte Erschütterung oder ein unbedachtes Geräusch genügen schon, damit der Computer Fehler in der Berechnung macht.
Trotz jüngster Fortschritte hat die Forschung also noch einen weiten Weg vor sich, bis Quantencomputer auch massentauglich werden. Um bei der Analogie des konventionellen Computers zu bleiben, könnte man sagen, wir befinden uns derzeit in den 1950ern, als Computer noch ganze Lagerhallen einnahmen und trotzdem nur einen Bruchteil der Rechenleistung heutiger Smartphones hatten.
Sind Sie der Meinung, Quantencomputer lösen die nächste technologische Revolution aus? Schreiben Sie uns einen Kommentar!
Headerbild: Der Prozessor eines Quantencomputers. Bildrechte: D-Wave Systems, Inc.