Venture Capital ermöglicht Innovationen. Mit Wagniskapital-Investitionen in junge Unternehmen werden neue Produkte und Dienstleistungen realisiert und Arbeitsplätze geschaffen. Es ermöglicht somit nicht nur die technologische Weiterentwicklung einer Volkswirtschaft, sondern sorgt auch für Wirtschaftswachstum. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff Venture Capital und wie sieht die Lage von Venture Capital in Deutschland aus?
Venture Capital (zu Deutsch: Risiko- oder Wagniskapital) gehört zum Bereich des außerbörslichen Beteiligungskapitals – auch Private Equity genannt. Venture Capital ist Kapital, das eine Privatperson oder eine Venture-Capital-Gesellschaft einem Unternehmen zur Verfügung stellt. Bei diesen Unternehmen handelt es sich meistens um junge Technologieunternehmen – sogenannte Startups – die nicht an der Börse gehandelt werden. Aufgrund der Unvorhersagbarkeit der Entwicklung dieser Startups gilt dieses Investment als riskant.
Der Venture-Capital-Geber (VC) stellt dem Unternehmen sein Kapital entweder in Form einer Eigenkapitalbeteiligung oder eigenkapitalsähnlichen Beteiligungsformen wie Mezzanine-Kapital oder Wandelanleihen zur Verfügung. VC-Kapitalgeber gehen mit der Unterstützung junger Unternehmen ein hohes Risiko ein, für das sie eine entsprechend hohe Rendite erwarten.
Diese Rendite erzielen sie meistens bei einem Verkauf – auch Exit genannt – oder späteren Börsengang des Unternehmens. Neben Finanzmitteln stellen VCs dem Unternehmensgründer häufig auch Managementunterstützung, Know-How und Zugriff auf ihr Netzwerk zur Verfügung. Als Anteilsinhaber haben VCs in der Regel außerdem Mitbestimmungsrechte bei wichtigen Entscheidungen des Managements.
Auch Investitionen in Startups oder Wachstumsunternehmen im Rahmen von Crowdinvesting gehören zum Venture-Capital-Bereich. Dieser gliedert sich nochmal nach den vier Phasen der Unternehmensentwicklung auf:
Die erste Finanzierungsrunde eines Startups wird gemeinhin als Seed-Finanzierung bezeichnet. Die Seed-Finanzierung stellt das Anschubkapital für eine Geschäftsidee bereit. In der Regel liegt in der Seed-Phase noch kein marktreifes Produkt vor und der kommerzielle Erfolg ist nur schwer einschätzbar. Das Produkt muss erst entwickelt werden und Businessplan sowie Finanzplan müssen erst noch erarbeitet werden.
Seed-Finanzierungen werden entweder durch die Gründer selbst geleistet (eigene Ersparnisse, Freunde und Familie) oder über Investoren (Business Angels, Venture-Kapitalgeber oder Crowdinvestoren). Für das hohe Risiko, das Investoren in dieser frühen Phase eingehen, wollen sie auch mit einer hohen Beteiligungsquote – also einem günstigen Einstiegspreis – belohnt werden. Das Finanzierungsvolumen liegt im mittleren fünfstelligen bis mittleren sechsstelligen Bereich.
Da Technologieunternehmen in der Regel in den ersten Jahren nach ihrer Gründung keine Gewinne erwirtschaften, sind weitere Finanzierungsrunden für ein kontinuierliches Wachstum nötig. Diese ersten Anschlussfinanzierungen erfolgen in der sogenannten Early-Stage-Phase (auch Startup-Phase). Das Finanzierungsvolumen liegt hier im niedrigen sechsstelligen bis niedrigen siebenstelligen Bereich und wird durch VCs, Business Angels und Crowdinvestoren bereitgestellt.
Die Early-Phase setzt ein, nachdem das Unternehmen gegründet wurde und erstes Wachstumspotenzial erkennbar ist. Das Risiko für VCs ist bereits niedriger als in der Seed-Phase, da das Produkt seine Funkionalität meist schon unter Beweis gestellt hat. Typischerweise liegen Finanzierungen (Serie A) hierbei zwischen 400.000 Euro und 2 Millionen Euro, Anschlussfinanzierungen in der Early-Phase dann zwischen 2 bis 15 Millionen Euro. Das eingesammelte Kapital wird im Finanzplan vorwiegend für die Weiterentwicklung des Produkts, den Aufbau der Produktion und des Vertrieb sowie die Ausweitung des Kundenstamms verwendet.
Die Expansions-Phase beginnt nachdem das Startup die Gewinnschwelle erreicht hat. In der Expansion-Phase dreht sich alles um weiteres Wachstum des Unternehmens. Ab jetzt liegt der Fokus darauf, das Unternehmen und den Businessplan auf die nächste Ebene jenseits der ersten Entwicklungsstufe zu heben. In einer ersten Finanzierung (Serie B) werden dafür im Schnitt noch einmal zwischen 5 und 10 Millionen Euro eingesammelt. Diese Mittel dienen im Finanzplan meist dem Ausbau des Teams, vor allem der Bereiche Business Development, Vertrieb, Marketing und IT.
In einer zweiten Finanzierungsrunde (Serie C) investieren VC-Kapitalgeber noch einmal Finanzmittel in das Startup, um es am Markt zu etablieren. Die teilnehmenden VCs sind häufig dieselben, die schon in der Early-Phase in das Startup investiert haben. In dieser Finanzierungsrunde werden zwischen ein- und dreistelligen Millionenbeträgen eingesammelt. Das eingesammelte Kapital fließt in die Perfektionierung des Produkts und die weitere Skalierung des Geschäftsmodells.
In der Later-Phase (auch Buyout-Phase genannt) ist das Produkt bereits sehr weit entwickelt und der Markt mitunter schon gesättigt. Es gilt nun, Kapital für eine Erweiterung der Produktpalette, eine Ausweitung der Produktionskapazitäten und die Erschließung neuer Märkte zu gewinnen.
In dieser späten Phase werden außerdem Nachfolgelösungen im Management vorbereitet, die eventuell Überbrückungsfinanzierungen für den Ausstieg eines Gründungsgesellschafters im Finanzplan vorsehen. Auch der Verkauf an einen Wettbewerber (auch Exit genannt) oder ein Börsengang werden nun wahrscheinlicher. Ebenso denkbar ist, dass das Wachstumsunternehmebn selbst einen Wettbewerber übernehmen will, und dafür Kapital benötigt.
Da das Beteiligungskapital in der Seed- und Early-Phase bereits zu einem großen Teil aufgeteilt wurde und das Risiko im Vergleich zu diesen Phasen deutlich gesunken ist, müssen neue VCs einen höheren Einstiegspreis zahlen. Im Gegenzug erhalten sie einen genaueren Überblick darüber, welche Beteiligungsgesellschaft mit an Bord ist und wieviel Beteiligungskapital noch zu erwerben ist. Sie entscheiden anhand dieser Faktoren, ob sich eine Eigenkapitalbeteiligung noch lohnt oder nicht.
VC-Kapitalgeber hoffen in der Later-Phase noch einmal auf zweistellige Renditen, falls es später zu einem Börsengang kommt. Denn sobald die Firma an die Börse geht und die breite Öffentlichkeit Anteile erwerben kann, sinken die Renditechancen stark. Technologieunternehmen gehen heute deutlich später an die Börse, als dies noch in den 80er und 90er Jahren der Fall war. Der Wertzuwachs der Beteiligungen ist damit nach einem Börsengang deutlich geringer als in der Vergangenheit.
Wagniskapital fördert Innovation und Unternehmertum (Englisch: Entrepreneurship). Ohne Entrepreneurship, das immer wieder innovative Geschäftsmodelle hervorbringt, bleibt eine Volkswirtschaft auf Dauer nicht wettbewerbsfähig. Jede Wirtschaft muss sich immer wieder neu erfinden, sobald alte Geschäftsmodelle überholt sind. Wenn jedoch nicht genügend Kapital für neue Geschäftsmodelle bereitgestellt wird, ziehen andere Volkswirtschaften im Innovationswettkampf vorbei. Sie besetzen dann die Schlüsselmärkte der Zukunft.
Startups greifen neue Technologien häufig als erstes auf und entwickeln daraus marktreife Produkte. Sie haben jedoch oft Probleme bei der Finanzierung ihrer Geschäftsideen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Wagniskapitallücke. Damit ist das Finanzierungsproblem gemeint, mit dem sich viele Gründer in der Frühphase ihrer Geschäftsidee konfrontiert sehen. Da ein junges Unternehmen in der Regel erst nach einigen Jahren Gewinne erwirtschaftet, muss diese Phase mit Risikokapital überbrückt werden.
Klassische Kapitalgeber wie Banken, Kredit- und Förderinstitute investieren nicht in unerprobte Geschäftsmodelle. Sie wollen in der Regel Sicherheiten sehen, die ein Gründer nicht bieten kann. Hier greift die Venture-Capital-Branche. Sie besteht aus Business Angels, Venture-Capital-Gesellschaften, staatlichen und privaten Investmentfonds sowie Crowdinvestoren. Nur wenn eine Volkswirtschaft, die eine lebhafte Venture-Capital-Landschaft aufweisen kann, kann Unternehmensgründer mit ausreichend Kapital für ihre Geschäftsideen versorgen.
Das wiederum stärkt den Wirtschaftsstandort und schafft dauerhaft neue Arbeitsplätze. Auch Firmen wie Google, Facebook, Amazon oder Tesla wären ohne Risikokapital niemals entstanden. Es braucht mutige Investoren, die bereit sind, in einer frühen Phase zu investieren - mit der Aussicht, zu einem späteren Zeitpunkt hohe Rendite zu erzielen. Heute kennt jeder diese Unternehmen, die die neu erschlossenenen Geschäftsfelder als Pioniere nun dominieren. Leider stammt keines dieser Unternehmen aus Deutschland.
Im Jahr 2023 hat sich die Landschaft für Venture Capital in Deutschland signifikant weiterentwickelt. Laut einer Studie des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) erreichten die Investitionen in deutsche Start-ups im Jahr 2022 einen neuen Höchststand von über 12 Milliarden Euro, was einen Anstieg von etwa 15% im Vergleich zum Vorjahr darstellt (BVK, 2023). Diese positive Entwicklung wird durch eine zunehmende Anzahl von internationalen Investoren unterstützt, die das Potenzial des deutschen Marktes erkennen.
Besonders hervorzuheben sind dabei die Branchen Technologie, Fintech und Gesundheitswesen, die den Großteil der Investitionen anziehen. Gleichzeitig zeigt eine Analyse von EY, dass Berlin weiterhin das Zentrum für Start-up-Finanzierungen in Deutschland bleibt, gefolgt von Städten wie München und Hamburg (EY Start-up-Barometer, 2023). Diese Dynamik unterstreicht Deutschlands wachsende Bedeutung im europäischen und globalen Venture-Capital-Markt.
Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass Deutschland weiterhin eine führende Rolle im Bereich Venture Capital einnimmt, jedoch in einigen Bereichen von anderen Ländern übertroffen wird. Laut dem European Venture Capital Report von PitchBook lag das Gesamtvolumen der Venture-Capital-Investitionen in Europa im Jahr 2022 bei rund 94 Milliarden Euro, wobei Großbritannien mit etwa 32 Milliarden Euro an der Spitze stand, gefolgt von Deutschland mit 12 Milliarden Euro und Frankreich mit rund 10 Milliarden Euro (PitchBook, 2023).
Diese Zahlen verdeutlichen, dass Deutschland eine starke Position hält, jedoch im Vergleich zu Großbritannien noch Aufholbedarf hat. Zudem zeigt der Report, dass skandinavische Länder wie Schweden und Dänemark pro Kopf besonders hohe Investitionsvolumina verzeichnen, was auf eine lebendige Start-up-Kultur und günstige Rahmenbedingungen hinweist. Insgesamt bleibt der europäische Venture-Capital-Markt dynamisch und wächst stetig, wobei sich die verschiedenen Länder zunehmend spezialisieren und Nischenmärkte entwickeln.
Status as of 23.07.2024 15:17