Venture Capital - Strategien zur Risikostreuung

Anlageformen und Strategien

Wie professionelle Venture Capital Geber ihr Portfolio diversifizieren

Von André Jasch
9 Minuten Lesezeit

Privatanleger, die einen Teil ihres Vermögens im Bereich Venture Capital anlegen möchten, sollten das Risiko ihrer Investitionen in Startups möglichst breit streuen. Um zu verstehen, wie genau das funktioniert, lohnt sich ein Blick auf die Profis in diesem Geschäft: Venture Capital Gesellschaften. Sie verdienen ihr Geld ausschließlich mit Investitionen in Startups und Wachstumsunternehmen.

Dabei müssen Venture Capital Geber (VCs) damit rechnen, dass ein Teil ihrer Investments sich nicht wie erwartet entwickelt, also die Startups scheitern. Doch unter den Investments sollten auch einige „Überflieger“ sein, die in der Lage sind, die Verluste der anderen Startup-Investments auszugleichen. Um diesen Drahtseilakt zu meistern, achten Venture Capital Gesellschaften sehr stark auf das Risiko ihres Portfolios. Professionelle VCs sind darauf angewiesen, dass das Risiko beherrschbar bleibt, um ihr eigenes Überleben zu sichern. Deshalb sind sie darum bemüht, dass Risiko in ihrem Portfolio möglichst breit zu streuen.

Dieser Ansatz nennt sich Diversifikation. Ein diversifiziertes Portfolio beinhaltet Kapitalanlagen, die eine möglichst geringe Korrelation zueinander aufweisen. Dadurch verlieren im Krisenfall nicht alle Anlagen gleichzeitig an Wert. Dahinter steckt das alte Börsensprichwort: „Lege nicht alle Eier in einen Korb. Sonst besteht das Risiko, dass sie alle kaputt gehen, sollte der Korb ein Loch bekommen.“

 

 

Die Diversifikation eines Portfolios leitet sich aus der modernen Portfolio-Theorie nach Harry M. Markowitz ab. Dort wurde gezeigt, dass durch die Kombination verschiedener Kapitalanlagen das Risiko eines Portfolios verringert werden kann, ohne dass dadurch zwingend auch die Rendite sinkt. Studien haben gezeigt, dass sich das Risiko in einem Portfolio durch Diversifikation um etwa um ein Viertel bis ein Drittel senken lässt.

Das Risiko im Portfolio lässt sich immer dann senken, wenn die Anlagen nicht positiv korreliert sind. Eine positive Korrelation besteht immer dann, wenn sich die Werte zweier Kapitalanlagen in dieselbe Richtung entwickeln. Das bedeutet, dass ein Wertverlust einer Anlage auch einen Wertverlust bei der anderen Anlage auslöst. Diese positive Korrelation gilt es im Portfolio möglichst zu vermeiden. Die Idee dahinter: Fällt eine Kapitalanlage im Wert, steigt eine andere im Wert und kompensiert so den Verlust. Das Risiko im Portfolio wird so gesenkt, während die Rendite nahezu unverändert bleibt.

Risikounterscheidung im Bereich Venture Capital

In der Portfolio-Theorie wird zwischen systematischen und unsystematischen Risiken unterschieden. Das systematische Risiko (auch Marktrisiko genannt) bezeichnet dagegen das Restrisiko, dass auch nach einer optimalen Mischung der Anlagen bestehen bleibt. Unsystematische Risiken können dagegen durch Diversifikation gesenkt werden, man spricht daher von diversifizierbarem Risiko. Jedoch lassen sich nicht alle unsystematischen Risiken durch Diversifikation senken.

Da auch die Diversifikationsstrategie an die Anzahl der Portfoliounternehmen gebunden ist, verbleibt nicht nur das Marktrisiko, sondern auch ein Teil des unsystematischen Risikos im Portfolio. René Thamm, Professor für internes Rechnungswesen an der HTW Dresden, hat die Diversifikationsstrategien professioneller VCs in seinem Werk „Portfoliostrategien von Venture-Capital-Gesellschaften: Agencytheoretische Analyse der Zusammensetzung und Größe der Portfolios“ untersucht und vier hauptsächliche Ansätze gefunden.

 

Diversifikation nach Technologie und Branche

 

Bei der Zusammenstellung des Portfolios achten professionelle VCs unter anderem auf eine Diversifikation nach Branchen und Technologien. Das bedeutet konkret, dass sie Unternehmen auswählen, die aus möglichst unterschiedlichen Branchen stammen bzw. auf unterschiedliche Technologien setzen. So stellen sie sicher, dass bei einer Krise der jeweiligen Branche nicht alle Portfoliounternehmen gleichermaßen betroffen sind. Umgekehrt geht ein starrer Branchenfokus mit dem Risiko einher, dass das Gesamtportfolio bei einer Krise dieser Branche an Wert verliert.

Außerdem können Entwicklungs- und Prozessrisiken gesenkt werden, in dem in Projekte investiert wird, die auf unterschiedlichen Technologien basieren. Eine weitere Möglichkeit der Diversifikation ist der anvisierte Zielmarkt des Unternehmens. Wenn sich die Portfoliounternehmen auf unterschiedliche Marktsegmente und Zielgruppen fokussieren, lassen sich Markt- und Wettbewerbsrisiken im Gesamtportfolio senken.

 

Diversifikation nach Entwicklungsstufe

 

Ein zweiter Ansatz, um das Gesamtrisiko des Portfolios zu senken, ist die Diversifikation nach Entwicklungsstufen der jeweiligen Unternehmen. In der Regel durchlaufen Startups vier Phasen: Seed-Phase, Startup-Phase, Wachstumsphase und Reifephase. Je früher die Phase des Startups, desto höher die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns. Zugleich bedeutet es aber auch, dass Investoren eine höhere Rendite erzielen können, wenn sie zu einem frühen Zeitpunkt in ein Unternehmen einsteigen.

„Werden Investitionen in unterschiedliche Entwicklungsstufen von Ventures getätigt, können die potenziellen Zeitpunkte der Desinvestition hinreichend gut verteilt und damit Auswirkungen von Branchenzyklen am Kapitalmarkt abgemildert werden. Das Liquidationsrisiko im Gesamtportfolio sinkt.“, so Thamm in seinem Buch. Venture Capital Geber legen ihren Investitionsfokus also nicht nur auf Startups in der Seed- und Startup-Phase, sondern auch auf Wachstumsunternehmen, die bereits Umsätze erzielen und somit eine geringere Wahrscheinlichkeit des Scheiterns aufweisen.  

 

Diversifikation nach Region und Land

 

Der dritte Ansatz der Risikostreuung, den Venture Capital Gesellschaften verfolgen, ist die Diversifikation nach Land und Region. Verschiedene Länder und Regionen können zum einen unterschiedliche Wirtschaftszyklen durchlaufen und damit auch zu verschiedenen Zeitpunkten durch eine Wirtschaftskrise gehen. Zum anderen unterscheiden sie sich in der Gesetzeslage, die unmittelbaren Einfluss auf Investitionen in Startups haben kann.

Indem Venture Capital Gesellschaften ihre Investitionen auf verschiedene Länder und Regionen senken sie das Risiko, dass ihr gesamtes Portfolio aufgrund einer Wirtschaftskrise in einem Land an Wert verliert. Außerdem verringern sie dadurch regulatorische Risiken. Hier sei als Beispiel die steuerliche Behandlung von Investitionen in Startups genannt.

 

Reduktion von Managementrisiken

 

Neben den bereits genannten Risiken verbleiben noch die Managementrisiken, also das Risiko eines Fehlverhaltens oder Versagens des Gründerteams. Diese Risiken vermindern sich automatisch, sobald in mehr als ein Unternehmen investiert wird. Außerdem können sie durch eine Erweiterung der Fachkenntnisse der Gründer reduziert werden.

„Da es sich bei diesen unternehmensspezifischen Risiken jedoch vor allem um Defizite in der Qualifikation des Gründers bzw. Gründerteams handelt, sind diese nur begrenzt als externe Risiken anzusehen. Sie sind beeinflussbar, indem beispielsweise die Kenntnisse und Fähigkeiten des Gründers bzw. Gründerteams im Rahmen einer Weiterqualifikation entwickelt werden“, so Thamm. Zudem könne die Unsicherheit reduziert werden, wenn das Gründerteam durch weitere Personen, die über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen, vervollständigt wird, so der HTW-Professor weiter.

Professionelle Venture Capital Geber setzen daher auf Managementunterstützung. Sie stellen einem jungen und unerfahrenen Gründerteam häufig ein entsprechendes Netzwerk an Experten zur Verfügung oder greifen ihnen mit Coaching- und Mentoren-Programmen unter die Arme.

 

 

In der Theorie schlägt ein diversifiziertes Portfolio jedes andere Portfolio, das die Risiken nicht breit streut. Doch alle Theorie ist grau und der Markt leider nicht so perfekt wie in den Modellen der Ökonomen. So ist auch in der VC-Branche zu beobachten, dass viele Venture Capital Gesellschaften sich auf einen Bereich spezialisieren, in dem sie sich besonders gut auskennen. Doch sind sie mit diesem Branchenfokus erfolgreicher als die Konkurrenz, die in Startups aus verschiedenen Sektoren investiert?

Eine Studie zweier amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler aus dem Jahr 2009 mit dem Titel „Specialization versus diversification in venture capital investing“  hat sich dieser Frage gewidmet. James R. Bartkus und M. Kabir Hassan aus New Orleans werteten dazu Daten der größten amerikanischen Venture Capital Geber über einen Zeitraum von 20 Jahren aus. Sie stellten zunächst fest, dass es im Bereich Venture Capital eine Tendenz zur Spezialisierung gibt, zum einen nach Branche und zum anderen nach Entwicklungsstufe der Startups.

Anschließend untersuchten sie, wie häufig es den Venture Capital Gesellschaften gelang, ihre Portfoliounternehmen an die Börse oder zu einem Exit zu bringen. Der Branchenfokus hatte dabei keine nennenswerten Auswirkungen auf den Erfolg der Investments. Der Investitionsfokus auf Ventures einer bestimmten Entwicklungsstufe wirkte sich sogar negativ auf den gesamten Investmenterfolg aus. Am erfolgreichsten schnitten demnach Venture Capital Geber ab, die ihre Investments auf Ventures aus unterschiedlichen Entwicklungsphasen verteilten. Die beiden Forscher fokussierten sich nur auf die Erfolgsrate – vermutlich weil VC-Gesellschaften die Renditen ihrer Investoren nicht gerne preisgeben. Um einen abschließende Beurteilung vorzunehmen, müssten auch die Renditen der Investoren verglichen werden.

 

 

Was bedeutet das alles für Privatanleger, die zum Beispiel über Startup Investing einen Teil ihres Vermögens in Venture Capital ablegen? Zunächst sollten sie sich klar machen, dass es sich bei Venture Capital Investments um Wagniskapital handelt. Diese Investments gehen mit einem hohen Renditepotenzial, aber auch mit einem hohen Risiko einher. Private Investoren sollten daher nie ihr gesamtes Vermögen im Bereich Venture Capital anlegen, sondern wenn möglich über mehrere Anlageklassen verteilen (z.B.: Aktien, Edelmetalle, Immobilien, Bargeld, etc.).

Den Teil ihres Vermögens, den sie in Startups investieren – man spricht hierbei als Daumenregel von höchstens zehn Prozent des Gesamtvermögens – sollten sie breit streuen. Statt nur in ein Startup zu investieren, sollten Privatanleger in verschiedene Startups aus unterschiedlichen Branchen und Entwicklungsstufen investieren. Einige Plattformen bieten neben den klassischen Startup-Beteiligungen auch festverzinsliche Darlehen für Wachstumsunternehmen an.

Da diese Unternehmen bereits Umsätze erzielen, ist das Risiko des Scheiterns geringer und der Anleger mischt seinem Portfolio zugleich eine Anlage mit einem stabilen Kapitalrückfluss bei. Außerdem sind die Laufzeiten der Darlehen kürzer als bei klassischen Startup-Beteiligungen. Und schließlich sollten Anleger, wenn möglich, auch nach Regionen und Ländern diversifizieren, vor allem um regulatorische Risiken zu senken. So unterscheiden sich etwa die maximal zulässigen Investmentbeträge von Privatpersonen von Land zu Land ebenso wie die steuerliche Absetzbarkeit von Verlusten aus Investitionen in Startups.

 

Stand vom 04.06.2024 12:48


 





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André Jasch

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